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Kontroverse Elternberatung:
Link zur Webseite mit den kritisierten Informationen für Eltern von Jens H. Lorenz
"Einige Informationen zu Thema Rechenschwäche"

Die Kritik von Resi-Volxheim und IML Essen an diesen Informationen in
Offener Brief an Prof. Dr. Jens Holger Lorenz vom 28. November 1999

Link zur Entgegnung von Prof. Dr. Lorenz auf unseren offenen Brief
Originaltext der Entgegnung

Erwiderung von Resi-Volxheim und IML Essen auf die Entgegnung von Prof. Dr. Lorenz
Die Erwiderung von Resi-Volxheim und IML Essen vom 6. Januar 2000





Offener Brief an

Prof. Dr. Jens Holger Lorenz

PH-Ludwigsburg
Institut für Mathematik und Informatik
Pädagogische Hochschule
71634 Ludwigsburg


__________________________________________________________________ Volxheim, den 28. November 1999


Der offene Brief in Sachen Elternberatung über Rechenschwäche, nimmt Bezug auf Ihre Internetveröffentlichung:
"Einige Informationen zu Thema Rechenschwäche" von J. H. Lorenz .


Sehr geehrter Prof. Dr. Lorenz,

hiermit übermitteln wir (RESI-Volxheim und IML-Essen) Ihnen unsere Kritik an Ihrer Info-Website. Unsere Kritik nimmt den Standpunkt einer Beratung von Eltern rechenschwacher Kinder ein und beurteilt, ob und inwieweit Sie mit Ihren "Informationen" tatsächlich vernünftig und sachgerecht beraten haben oder nicht bzw. ob und wo Sie falsch oder mangelhaft beraten haben.

Zum Thema "Rechenschwäche" gibt es - inzwischen auch online - von uns den Ratgeberartikel aus dem KOGNOS-Handbuch "Erfolgreiche Elternarbeit in der Schule": "Mein Kind ist vielleicht rechenschwach - was nun ?" (Steeg 1999)

Unser Interesse besteht darin, die Diskussion über angemessene Beratung, Diagnostik und Therapie von Dyskalkulie mit Fachleuten und Betroffenen öffentlich zu führen. Ihr Infoblatt "Einige Informationen zu Thema Rechenschwäche" auf Ihrer Ludwigsburger Homepage ist in diesem Zusammenhang ein krasses Beispiel für "Beratung" im negativen Sinne. Sie beraten durch Ihr Infoblatt Eltern in einer Weise, die nicht aufklärt, sondern verunsichert. Eine wirklich inhaltliche Kritik oder Formulierung positiver Maßstäbe leisten Sie nämlich nur sehr bedingt. Viele Behauptungen, die Sie aufstellen sind schlicht falsch. Einige Ihrer Behauptungen, die Sie aufstellen, dementieren Sie deshalb selbst wenige Zeilen weiter wieder. Ihre Ideale des Schulsystems, der Lehrerkompetenzen und der Beratungs- und Therapiemöglichkeiten für rechenschwache Kinder verkaufen Sie "beratenderweise" als Realität, obwohl gerade Sie es besser wissen müßten. Sie können doch nicht wollen, daß die Widersprüche des Bildungssystems auf dem Rücken der Eltern und der rechenschwachen Kinder ausgetragen werden - nur weil Sie sich über einige schlecht ausgebildete Privattherapeuten geärgert haben?

Wir zitieren abschnittsweise die von uns zu kritisierenden Textteile (Originaltext Lorenz:) und kommentieren jeweils. Zur besseren Übersicht teilen wir die Kritik in zwei Abteilungen, nämlich in Ihre falschen Erwartungen an Schule und LehrerInnen und Ihren unsachlichen Angriff auf "die Privaten":

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Sie formulieren falsche Erwartungen an Schule und LehrerInnen:

Originaltext Lorenz:
Prinzipiell liegt aber die eigentliche Verantwortung und auch die Kompetenz und Erfahrung mit mathematischen Lernprozessen bei der Lehrerin bzw. dem Lehrer, die hierfür ausgebildet sind. Sie können ihren Unterricht so gestalten, dass individuelle Schwierigkeiten frühzeitig erkannt und damit rechtzeitig angegangen und behoben werden können.

Dies ist ein frommer Wunsch und völlig fern der Realität. LehrerInnen, die sich nicht von sich aus in dem von Ihnen beschriebenen Sinne kompetent machen und fortbilden (es gibt einige - meist durch Literaturstudium und über eigene Initiativen), werden weder diagnostisch noch im Sinne einer individuellen Förderung von einzelnen Schülern tätig. Qualifizierte Beratungslehrer oder Integrationslehrer für Dyskalkulietherapie sind meistens nicht vorhanden und/oder werden von den Schulen gar nicht erst angefordert. Wenn Sie Ihr Ideal vom Lehrerberuf den Eltern als derzeitige Wirklichkeit präsentieren, beraten Sie falsch. Die Eltern, die in unseren Beratungen ihre Probleme schildern, haben großenteils das Vertrauen in Schule und Lehrerschaft bereits verloren, das sie bei Schuleintritt ihres Kindes noch hatten.

Übrigens: das SIL-Rheinland-Pfalz (Staatliches-Institut-für-Lehrerfortbildung) hat bis heute noch keine (!) Fortbildung über Rechenschwäche anzubieten. Auch wir (RESI-GdbR) werden mit unserem Angebot frühestens im Sommer 2000 im SIL-Katalog aufgeführt sein - weil wir uns rechtzeitig (!) im Sommer 1999 (!) dafür angeboten hatten. Alle Lehrer, mit denen wir in Rheinland-Pfalz und im Saarland bisher Kontakt hatten - und das sind praktisch alle Lehrer unserer Klienten und noch etliche mehr - haben uns gegenüber erklärt, in Bezug auf Rechenschwäche weder Ausbildung, noch Fortbildung, noch andere Kenntnisse als die von uns erhaltenen oder bestenfalls aus Literatur bezogenen zu besitzen. Die Zusammenarbeit mit den meisten LehrerInnen funktioniert allerdings weitestgehend, weil wir das Gespräch mit den LehrerInnen anstreben und den Kontakt pflegen. Oft sind die betroffenen LehrerInnen froh, überhaupt fachkundige Unterstützung von außen zu erhalten. Es wenden sich nicht nur Eltern direkt an uns, sondern in nicht wenigen Fällen auch LehrerInnen, die Hilfe für die Eltern und Kinder suchen. Ähnlich sieht die Situation in NRW aus.

Originaltext Lorenz:
Auch wenn die Eltern sich in ihrer Not selten anders zu helfen wissen und einen Kontakt mit der Schule scheuen: Die Eltern sind die schlechtesten Nachhilfelehrer, denn sie sind emotional zu eng mit ihrem Kind verbunden. Die vermeintliche Hilfe endet häufig mit Tränen auf beiden Seiten. Deshalb sollte der Rat der Schule immer eingeholt werden.

Warum scheuen eigentlich Eltern oft den Kontakt zur Schule? Haben die Gespräche mit Lehrern vielleicht zu keinem brauchbaren Ergebnis geführt? Vielleicht überträgt sich hier die Hilflosigkeit der LehrerInnen auf die Eltern? Meist ist es die LehrerIn, die in der Elternsprechstunde den Eltern Lehraufgaben und hausaufgabenmäßige Disziplinierungen (Üben von Unverstandenem) ohne diagnostisches Konzept andient - und dies nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Unwissen und aus ihrer schulischen Aufgabenstellung heraus. Erkundigen Sie sich doch mal bei Dr. Franz Schrodi, den Sie persönlich kennen, nach den Ergebnissen seiner Dissertation zu "subjektive Lehrertheorien über rechenschwache Schüler" von 1999 - darin findet sich auch Ihr folgendes aufgefundenes Phänomen:

Originaltext Lorenz:
Bei Lernschwierigkeiten besteht häufig die Schwierigkeit, dass jede Seite die andere für das Problem verantwortlich macht: Die Eltern halten die Schule für unfähig, ihrem Kind das Rechnen beizubringen, die Lehrerperson vermutet das Problem hingegen in der mangelnden Begabung des Kindes oder der Familiensituation. Die wechselweise Schuldzuweisung hilft aber dem Kind nicht.

Den hier von Ihnen beschriebenen Konflikt ernstgenommen, können Sie Ihr oben aufgestelltes Lehrerideal nicht mehr aufrechterhalten. Sie selbst bezichtigen damit übrigens das Lehrpersonal schlicht der Inkompetenz. Den Eltern muß man es wohl nachsehen. Gleichzeitig klären Sie nicht darüber auf, was der Fehler an "Begabungsmangel" ist. Sie erklären auch nicht, warum die Schule als Institution tatsächlich nicht in der Lage ist, rechenschwachen Kindern zu helfen. Es würde auch dem Anfang Ihres Infoblatts widersprechen, da Sie offensichtlich die Meinung vertreten, in der Schule würde alles Nötige getan, um (auch individuelle außerschulische) Hilfen in die Wege zu leiten. Ihre eigene Beurteilung stützt jedoch gleichzeitig den massiven Verdacht, daß dies auf der Grundlage der gegenseitigen ideologischen Schuldzuweisungen gar nicht stattfindet.

Originaltext Lorenz:
Erst wenn beide Seiten sich gemeinsam dem Problem widmen, werden individuelle Fördermaßnahmen möglich.

Ist individuelle Förderung eine Frage des "guten Willens" versus "Uneinigkeit"? Theorien (über Ursachen von Lernschwierigkeiten), die sich wechselseitig ausschließen, können nicht zu gemeinsamem Handeln führen. Warum sollte dann die Schwierigkeit der Planung von außerschulischen Maßnahmen durch bloßes gutwilliges Zusammensetzen plötzlich möglich werden. Dies ist eben keine Frage von gutem Willen, sondern von diagnostischer Kompetenz. Was dann möglich ist, hängt ebenfalls wieder von eben dieser diagnostischen einschließlich der mathematisch-pädagogischen Kompetenz ab. Also genügt allein die Beendigung des von Ihnen beschriebenen Konflikts gerade nicht, um eine vernünftige Förderung in Angriff nehmen zu können. Umgekehrt allerdings läßt sich sagen, daß der Konflikt unter anderem deswegen nicht aufhört, weil die Sachkompetenz auf beiden Seiten fehlt.

Da Sie allerdings bereits auf eigentliche (!) Zuständigkeit und eigentliche (!) Kompetenz der Schule für Lernschwierigkeiten in Mathematik hingewiesen haben, fragt sich der verwunderte Leser, woher nun positiv die Einsichten in die Notwendigkeit und alleine das Wissen über die Möglicheit außerschulischer Maßnahmen herkommen sollen.

Originaltext Lorenz:
Erst wenn beiden Seiten deutlich ist, dass außerschulische Förderanstrengungen notwendig sind, sollten diese geplant werden.

Dies unterstellt gewisse Einsichten (durch externe Beratung?) über die Zusammenhänge der Dyskalkulie. Das Personal dafür fehlt meistens. In ganz Rheinland-Pfalz z.B. gibt es ca. zwei Schulpsychologen, die sich mit Dyskalkulie auskennen. Bei Beratungsstellen in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in NRW haben wir von Fachleuten für Dyskalkulie noch nichts gehört - da mag es wohl auch Einzelexemplare geben. Jugendämter fordern unseres Wissens inzwischen vermehrt ihre Beratungsstellen dazu auf, Personal für Beratung und Therapie (!) bei Dyskalkulie einzustellen, weil sie Kosten sparen wollen: "altershomogene Gruppentherapie" wird dann angeboten und dementsprechend unspezifische Übungsprogramme durchgeführt!

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Zu Ihrem Angriff auf "die Privaten":

Welche außerschulischen Maßnahmen mit welchem Inhalt zu erfolgen haben, erklären Sie als Berater den Eltern hier nicht. Sie haben ein rein negatives Anliegen: Ihren Angriff auf die real existierenden privaten außerschulischen individuellen Fördermaßnahmen.

Originaltext Lorenz:
Ich werde an dieser Stelle prinzipiell keine privatwirtschaftlichen Einrichtungen benennen oder gar empfehlen. Dies hat mehrere Gründe:

a) Es gibt zur Zeit keine Ausbildung zum Dyskalkulietherapeuten (auch nicht zum Legasthenietherapeuten).

Diese Aussage ist falsch. Diese Ausbildungen gibt es. An den privatwirtschaftlichen Einrichtungen werden Ausbildungen zu Dyskalkulie- und Legasthenietherapie durchgeführt.

Und überhaupt, wo leben wir denn? Ist neuerdings Privatwirtschaft wieder ein Schimpfwort? Sind Qualitätsunterschiede etwa nicht (inhaltlich positiv im Sinne der Eltern) beurteilbar? Ist ein Mercedes-Benz etwa ein Schrottauto, weil der Verkäufer und der Hersteller damit Geld verdienen will? Warum verweisen Sie auf Qualifikationsnachweise, die es, wie Sie selbst erwähnen, als spezielle noch gar nicht gibt und die durch Pädagogik- oder Psychologiediplome oder gar Psychotherapeuten- und diverse obskure "Lern"therapeutentitel nicht ersetzt werden können, wie sich immer wieder zeigt. Wir (RESI-Volxheim und IML-Essen) legen als Dyskalkulietherapeuten wert darauf, daß wir keinen methodisch dominierten Unterricht durchziehen, sondern individuelle Dauer-Förder-Diagnostik betreiben und individuelle Lehr-/Lerndialoge führen. Empfehlen müssen Sie uns deswegen nicht - dafür sorgen wir, unsere Klienten und deren LehrerInnen schon selbst. Aber die indirekte und unterschwellige Beschimpfung "der meisten Privaten" als prinzipiell verdächtige Geschäftemacher weisen wir zurück. Da erscheint es uns vordringlicher, den Eltern eine Aufklärung über das derzeitige Bildungssystem zuteil werden lassen. Eine solche Kritik würde zugleich auf die notwendigen inhaltlichen Qualitätsmaßstäbe für Bildung verweisen müssen.

Originaltext Lorenz:
Lediglich an Hochschulen wird im Rahmen der Lehrerausbildung die Förderung bei Rechenschwäche (und bei Lese-Rechschreib-Schwäche, LRS) unterrichtet.

Dies ist falsch (siehe oben). An den Hochschulen wird im Rahmen der Lehrerausbildung die Förderung bei Rechenschwäche und Legasthenie nicht unterrichtet. Es gibt lediglich sporadisch und punktuell manchmal und an manchen Universitäten freiwillig zu belegende einzelne Seminare, die einen kleinen Informationsbeitrag zum Thema Rechenschwäche und Legasthenie für Lehramtskandidaten anbieten. Eine vollständige und zur dyskalkulietherapeutischen Tätigkeit befähigende und bundesweit von allen Fachleuten anerkannte Ausbildung an Universitäten ist uns nicht bekannt.

Originaltext Lorenz:
Dementsprechend unterschiedlich sind die Kenntnisse derjenigen, die sich "Dyskalkulietherapeuten" nennen und solche Veranstaltungen besucht haben oder eben auch nicht.

Was heißt dementsprechend? Wo kommen die Dozenten her? Großenteils handelt es sich dabei um privat praktizierende Therapeuten! Welche Kenntnisse über die Praxis werden in den von Ihnen gemeinten Veranstaltungen vermittelt? Welche Seminare muß man besucht haben? Wofür spricht das eigentlich, wenn doch gerade diese Veranstaltungen für niemanden verpflichtend sind und es Dyskalkulietherapeuten gibt, die sie besucht haben und andere, die sie nicht besucht haben? Ist dies ein Problem der "Privatwirtschaftlichkeit" von Therapeuten? Ist dies (k)ein Problem der Lehrerausbildung und Fort- und Weiterbildung von LehrerInnen?

Originaltext Lorenz:
Für die Förderung rechenschwacher Kinder sind weitreichende Kenntnisse erforderlich, insbesondere in

– Mathematikdidaktik (u. a. Methodik, Veranschaulichungsmittel, arithmetische und geometrische Kernideen und ihr spiraliger Aufbau über die Schuljahre)

– Lernprozesse bei mathematischen Inhalten, ihre individuellen Ausformungen und ihre Störungen

– Psychologie (Testverfahren, klinische Psychologie, Pädagogische Psychologie)

– Psychotherapeutischen Verfahren (z. B. bei emotionalen Störungen als Begleitsymptomatik)

Diese Kenntnisse sind nicht bei allen niedergelassenen "Dyskalkulietherapeuten" vorhanden.

(In der regulären Grundschullehrerausbildung sind übrigens solche Kenntnisse weitestgehend nicht enthalten.) Von einem Berater würde der Leser nun eine differenzierte Kriterienliste für qualifizierte Dyskalkulietherapeuten erwarten, um Maßstäbe zu erhalten, die er bei seiner Suche braucht. Die erhält er von Ihnen nicht. Sie wollten nur warnen. Wie ein Laie solche Kenntnisse bei Dyskalkulietherapeuten erkennen kann, verraten Sie nicht.

Originaltext Lorenz:
b) Genauso wenig gibt es eine Qualitätssicherung der niedergelassenen Therapeuten (mit wenigen Ausnahmen, etwa in Bayern), so dass nicht gewährleistet ist, dass eine fortwährende Weiterbildung durchgeführt wird.

Falsch: Genau dort, wo Wert auf die Ausbildung zum Dyskalkulietherapeuten gelegt wird, erfolgt auch die dementsprechende Qualitätssicherung, was durch eine fortwährend durchgeführte Weiterbildung gewährleistet wird.

Originaltext Lorenz:
So kann nicht in allen Fällen davon ausgegangen werden, dass die Förderung auf dem aktuellen Stand didaktischer Erkenntnisse basiert.

Eine sachgerechte Ausbildung nimmt alle Erkenntnisse auf, die für eine zweckmäßige und erfolgreiche Dyskalkulietherapie nötig sind. Hierzu bedient sich ein qualifizierter Ausbilder, der vorhandenen Erkenntnisse über Förderung der letzten Jahrzehnte bis heute. Unkritische Übernahme aus Aktualitätsgründen verbietet sich.

Originaltext Lorenz:
c) Die Eltern gehen häufig mit den Instituten einen Knebelvertrag ein: Die Kosten müssen über einen längeren Zeitraum bezahlt werden, auch dann, wenn dem, etwa in den Ferien, keine Leistung gegenüber steht. Denn private Institute sind Wirtschaftsunternehmen, deren primäres Anliegen es meist ist, einen finanziellen Gewinn zu erzielen.

Dies ist ein Themenwechsel - in Ordnung: Leistung kostet Geld - aber: Wer macht welche Knebelverträge? Wer läßt sich Leistungen bezahlen, die nicht erbracht wurden? Wer macht finanzielle Gewinne, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen? Diese Beschimpfungen haben mit Beratung nichts zu tun. Sie belegen eine komplette Branche mit Verdächtigungen, um Eltern zu verunsichern! Unser praktischer Hinweis für alle Verunsicherten: Fragen Sie die Aktion-Bildungs-Information (ABI) in Stuttgart (LRS-Ratgeber) und lesen Sie Verträge in Ruhe durch - bevor sie sie unterschreiben.

Originaltext Lorenz:
d) Von vielen Instituten ist mir bekannt, dass sie ein genormtes Lernprogramm anbieten. Dies kann nicht allen Kindern helfen, da die Gründe, die zu der Lernschwierigkeit führen, bei jedem Kind unterschiedlich sind und individuell diagnostiziert werden müssen. Daher ist bei gravierenderer Rechenschwäche eine Förderung in Gruppen nicht möglich, zu unterschiedlich sind die Bedürfnisse des einzelnen Kindes.

Qualifizierte Institute und lerntherapeutische Praxen kennen diesen wesentlichen Unterschied zwischen methodischer Gleichmacherei und Gruppentherapie einerseits versus individueller pädagogischer Einzelmaßnahme. Dieser Unterschied buchstabiert sich nicht privat versus öffentlich-rechtlich. Didaktisches Grundprinzip der Schule z.B. ist: Unterricht für Altersgruppen (Schulklassen) sowie entsprechend abgestufter Förderunterricht für Leistungsschwache - ohne individuelle Diagnostik!

Originaltext Lorenz:
e) Es ist mir bekannt, dass einige Institute mit unseriösen, manche mit esoterischen, andere mit vollkommen wirkungslosen Programmen Kindern helfen wollen. Bei einigen wenigen Instituten würde ich das Vorgehen sogar als eher schädlich einstufen. Dass sie in einigen Fällen damit trotzdem erfolgreich sind, belegt nicht notwendig ihre Güte. Jeder Erwachsene wird bei einigen Kindern Lernprozesse anregen, wenn er sich nur jede Woche ein oder zwei Stunden alleine mit ihm beschäftigt.

Wofür spricht das? Für unkritische Beurteilung schulischer Fördermaßnahmen, weil sie umsonst sind - oder für die Notwendigkeit, Eltern über Maßstäbe für eine gute Rechenschwächetherapie zu informieren und zu beraten? Wenn Sie schon keine "schwarzen Schafe" und "Scharlatane" oder "Etiketten esoterischer Therapieformen" benennen wollen, lassen Sie doch besser die Eltern mit Ihren Warnungen in Ruhe. Sie wollen warnen, ohne den Inhalt der Warnungen preiszugeben.

Originaltext Lorenz:
Bevor Sie Ihr Kind einer privatwirtschaftlichen Einrichtung anvertrauen, versuchen Sie alle Informationen hierüber zu sammeln.

Welche inhaltlich relevanten Informationen würden Sie denn für sammelnswert halten? Den ideologischen Ansatz esoterischer Therapien in den Broschüren, die Therapieverträge, Anhaltspunkte über Kenntnisse mathematischer Grundlagen und deren Vermittlung - woran erkennt man dies? Sie haben bisher darauf verzichtet zu formulieren, welche Informationen wirklich für Eltern wichtig und auch nachvollziehbar sind! Was den "nicht privatwirtschaftlichen Bereich" angeht: Diplome und Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Vereinigung/Institution (Universität/Schule/Beratungsstelle) für sich genommen können kein Qualitätsmaßstab dafür sein, anzunehmen, daß qualifizierte Rechenschwächetherapeuten diese Therapien durchführen (Studenten mit "Seminarschein" als Therapeuten?). Welche Informationen erhält man denn über solche Institutionen und ihre Mitarbeiter? Von Ihnen jedenfalls keine!

Originaltext Lorenz:
Verzichten Sie lieber auf die Geldausgabe zugunsten einer Zusammenarbeit mit der Schule.

Warum sollten sie? Der Grund für die Hilfesuche außerhalb der Schule ist schließlich, eine bessere Hilfe zu finden als sie kostenlos - und bisher für ihr Kind vergeblich - von Schulen und Beratungsstellen angeboten wird, sofern überhaupt Angebote bestehen.

Sie fordern Eltern jedoch dazu auf, zurück in die "Höhle des Löwen" zu kommen. Das kostet die Eltern wenigstens nichts. Allerdings riskieren sie dabei die mehr oder weniger aussichtsreiche Schul- und Berufskarriere. Aber daran ist es vielen Eltern gerade aufgefallen, daß die Zusammenarbeit mit der Schule nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann. Deshalb geht Ihr damit versuchtes Beratungsanliegen komplett daneben. Sie riskieren u.U. sogar, daß man sich berechtigterweise fragt, was Sie damit den Eltern - qua Ihrer wissenschaftlichen Autorität - denn eigentlich vermitteln wollen.

Sie möchten Eltern davor warnen, sich gutgläubig (!) in die Mühlen der "freien pädagogischen Wirtschaft" zu begeben, deren Qualität sich immer erst beweisen muß und auf dem Prüfstand steht. Aber was haben Sie als Berater den Eltern darüber inhaltlich anzubieten? Kostenfaktor und Qualitätsproblematik nehmen Sie zum Anlaß, Eltern gegen "die privaten" Hilfsangebote einzunehmen. Damit tragen Sie als Berater dazu bei, Eltern den Blick auf die wirklich guten Angebote an Hilfsmaßnahmen aus dem privaten Sektor zu verstellen. Stattdessen sollen die Eltern sich dem öffentlich-rechtlichen Auslesesystem - der Schule - ausliefern. Dort sind schließlich die Probleme - neutral ausgedrückt - erst entstanden bzw. permanent lokalisierbar, ohne daß institutionalisierte, professionelle Aufhebungsmöglichkeiten der organisatorischen Widersprüche sich überhaupt abzeichnen würden.

Fazit: Sie lassen die Eltern regelrecht im Stich. Sie beraten nicht an der Sache, sondern Sie werden zum hilflosen, akademischen Mahner in einer Wüste, in der Sie schließlich nicht mehr zwischen Ihrem Ideal von einer möglichen, vielleicht zukünftigen Schule und den tatsächlichen, derzeitigen Schwierigkeiten in der Schule unterscheiden wollen - weil Sie keinen Rat wissen, nehmen wir an.

Unser Rat für Eltern:

"Mein Kind ist vielleicht rechenschwach - was nun ?" (Steeg 1999)

Mit freundlichem Gruß

Friedrich H. Steeg, Dr.Dipl.Psych.Rechenschwächetherapeut

Kontakt


gemeinsam verfaßt von:

RESI-Volxheim, Kreuznacherstr.22-24, 55546 Volxheim

IML-Essen, Kennedyplatz 8, 45127 Essen


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Reaktion von RESI und IML auf die Entgegnung

von Prof. Dr. Lorenz auf den offenen Brief:


__________________________________________________________________ 06. Januar 2000

Sehr geehrter Herr Lorenz,

in Beantwortung Ihrer Antwort auf unseren (RESI/IML) offenen Brief, gehe ich auf Ihre Argumente im Detail ein (Anm. für andere Mitleser: Die im Originaltext-Lorenz in Anführungszeichen gesetzten Satzteile sind "Zitate"aus unserem offenen Brief, die von Herrn Lorenz in seiner Antwort kommentiert werden):

Originaltext-Lorenz:
Antwort auf einen sogenannten "Offenen Brief" von F. Steeg
Nun ist es eine Sache und wohl eine Frage des Stils, einen "Offenen Brief" an mich zu schreiben, der mich persönlich nicht erreichen kann, weil er nicht an mich als Adressaten geschickt, sondern lediglich in das Internet gehängt wurde. Ob ich als der Angesprochene ihn dann finde oder überhaupt davon Kenntnis erhalte, muss nicht interessieren. Man erreicht zumindest, dass der Angesprochene und in diesem Fall Gescholtene sich nicht wehren wird. Und dies war wohl das Ziel.

Keineswegs: zunächst finde ich es keinen schlechten Stil, einen "offenen Brief" genau in dem Medium zu veröffentlichen, in dem eine Beratungsinformation veröffentlicht wurde, die ich kritisieren möchte. Die Tatsache, daß erstens Ihre seiteninterne Email-adresse nicht funktioniert hat, ist Ihnen vielleicht noch nicht bekannt. Es dürfte einige Leute geben, die Ihnen zwischenzeitlich eine Email zukommen lassen wollten und dies deswegen nicht konnten. Außerdem habe ich zweitens unverzüglich Ihr Sekretariat telefonisch über die URL des "offenen Briefes" informiert, da ich über die von mir an Sie verschickte Email eine Fehlermeldung erhielt. Soviel zum Stil. Mein Ärger über Ihre "Informationsseite", der in dem offenen Brief zum Ausdruck kommt, hat mit Stil übrigens nichts zu tun - eher mit Ihrer widersprüchlichen Argumentation!

Originaltext-Lorenz:
Eine andere Sache ist dann allerdings der Inhalt. Und da wäre es unter anderen Umständen vielleicht möglich, evtl. sogar sinnvoll gewesen, eine sachliche Diskussion zu führen. Wenn man denn eine solche gewollt hätte.
Obwohl mich also der sogenannte "Offene Brief" wohl formal gar nicht erreichen sollte, will ich auf wenige Punkte eingehen, die mir darin vorgeworfen werden:
"Sie beraten durch Ihr Infoblatt Eltern in einer Weise, die nicht aufklärt, sondern verunsichert."
Nun haben Sie selbst eine lange Liste von Kriterien formuliert, was eine Diagnostik und Therapie der Rechenschwäche zu leisten habe. Mein Punkt ist, und da können Sie mir gerne widersprechen, dass diese Kriterien von einer Vielzahl von selbsternannten Dyskalkulietherapeuten nicht eingehalten werden. Ihr Ratschlag, dass sich Eltern selbst kundig machen sollten, um die Qualität der Therapie zu beurteilen, heißt letztlich, dass sich die Eltern am besten selbst zu Therapeuten machen sollen, bevor sie ihrem Kind eine teuer bezahlte Förderung zuteil werden lassen.

Sich eigene Kriterien dafür zu verschaffen, ob eine Diagnostik und/oder eine Beratung, die in einer privaten oder öffentlich-rechtlich organisierten Therapie- oder Beratungseinrichtung angeboten wird, betroffenen Eltern weiterhelfen kann, kann für diese Eltern nicht gleichbedeutend damit sein, daß sie sich zu Therapeuten ausbilden lassen müßten. Woher haben Sie das? Ich würde Sie bitten, die Kriterienliste, die ich in meinem Elternberatungsartikel (Elternberatungsartikel für Eltern rechenschwacher Kinder aus dem KOGNOS-Handbuch: http://www.rechenschwaecheinstitut-volxheim.de/eltern.html) liefere, daraufhin zu beurteilen, ob sie Eltern dabei hilft, sich auf dem Markt der Therapieangebote besser zurechtzufinden. Ich schließe aus Ihrer Argumentation, daß Sie mit dem Inhalt der Kriterien durchaus zufrieden sind. Allerdings beauftragen Sie mich nun "fiktiv", ich müsse zunächst für die marktweite Durchsetzung meiner Kriterien sorgen, bevor ich Eltern, wie Sie sagen, "damit (fast) zu Therapeuten ausbilden" dürfe. Die Beratung bezüglich des Therapiemarktes ergibt sich selbstverständlich aus der tatsächlichen Lage und nicht aus Ihren Wunschvorstellungen. Außerdem: Für wie uninteressiert und unflexibel halten Sie eigentlich Eltern? Selbstverständlich unterstelle ich, daß Eltern willens und in der Lage sind, pädagogische und mathematische Argumente nachzuvollziehen und Schlüsse daraus zu ziehen. Dies unterscheidet z.B. unsere (RESI/IML) Vorgehensweise bei Diagnostik und Beratung von derjenigen, die darin besteht, Eltern mit Ergebnissen aus Intelligenztests oder Kurzformen umgeschneiderter Intelligenztests zu konfrontieren, um ihnen dann über solche quantifizierenden Vergleichsurteile, Entscheidungen über das Schicksal ihres Kindes zu suggerieren, um sie dann, blind vertrauend, an andere Fachleute weiter zu delegieren.

Originaltext-Lorenz:
"Sie können doch nicht wollen, dass die Widersprüche des Bildungssystems auf dem Rücken der Eltern und der rechenschwachen Kinder ausgetragen werden – nur weil Sie sich über einige schlecht ausgebildete Privattherapeuten geärgert haben?"
Es ist nicht meine Sache, über die Widersprüche des Bildungssystems zu philosophieren, das überlasse ich Ihnen (wobei ich Ihnen in vielen Punkten nicht zustimmen kann). Dass Sie mit obiger Aussage unterstellen, dass diese Widersprüche aber nun durch Privatinstitute gelöst werden, macht mich schon nachdenklich. Es lässt sich der Eindruck nicht wegwischen, dass ein gesellschaftlicher Popanz aufgebaut wird, für den man dann ein Allheilmittel aus der Westentasche zieht und an dem man dann zufällig noch gut verdient.

Wenn Sie sich mit den Widersprüchen unseres Bildungssystems nicht auseinandersetzen wollen, so ist das Ihre Sache. Daß diese Widersprüche durch Privatinstitute gelöst würden halte ich für ein Gerücht, daß ich nicht in die Welt gesetzt habe. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Woher kommen denn die vielen privaten Therapeuten - teilweise ohne vernünftige Ausbildung - wenn nicht daher, daß das öffentliche Bildungssystem mit seinen widersprüchlichen Zwecksetzungen das Lernen der Kinder regelrecht torpediert (siehe auch: Artikel zu Begriff, Ursachen und neue Definition der "Rechenschwäche": http://www.rechenschwaecheinstitut-volxheim.de/zdm.html) und damit die meist verzweifelten Eltern dazu zwingt, sich auf dem privaten Therapiemarkt nach Hilfen umzusehen.

Um allen Gerüchten über Therapeutenreichtum vorzubeugen: unser Stundensatz (RESI) für eine Therapiestunde beträgt DM 144,-- und liegt damit genau um DM 1,-- unter dem Mindesthonorarsatz, den kürzlich das höchste deutsche Sozialgericht in Kassel für eine existenzfähige psychotherapeutische Praxis festgelegt hat. Fragen Sie mal Psychotherapeuten, ob sie sich als besonders gut bezahlt verstehen. Außerdem: sowohl Psychotherapeuten wie auch Lerntherapeuten wird permanent von Kassen und Jugendämtern mit (rechtswidrigen) Honorarbegrenzungen das Leben schwer gemacht, um nicht zu sagen die Existenz (wenn sie davon abhängt) zum Problem gemacht. Wenn dann auch noch evtl. hohe externe Fortbildungskosten anfallen, können Sie gerne spekulieren, wo da zuerst gespart wird. Gleichzeitig ist jedermann klar, daß Therapiestundensätze nicht identisch sind mit dem Nettostundenlohn eines Therapeuten, sondern die Bruttoeinnahme für die Leistungseinheit (Therapiestunde) darstellt, auf der die Unterhaltung einer kompletten Therapiepraxis beruht. Der Arbeitstag selbst ist bei therapeutischen Praxen nicht ausdehnbar/potenzierbar durch Maschinen, Angestellte, Rationalisierungen. Verdienen Sie was Sie verdienen, Herr Lorenz, oder arbeiten Sie kostenlos?

Originaltext-Lorenz:
Sie werfen mir vor, dass ich an der Schulwirklichkeit vorbei ein idealtypisches Bild der Therapiemöglichkeiten entwerfe, da die Realität ganz anders sei. Es werden, so sagen Sie, Gruppen angeboten und unspezifische Übungsprogramme durchgeführt.
Diese Praxis ist sicherlich anzugreifen, da haben Sie meine volle Unterstützung. Nur entwerfen Sie gegenüber der schmutzigen Schulpraxis ein idealtypisches Bild der privatwirtschaftlichen Institute. Als würden dort nicht Gruppen in unspezifischen Programmen nach dem Gieskannenprinzip "behandelt". Sicher gehen Sie dagegen an (?), siehe Ihre Kriterienliste.

Diese Idealisierung der Schule und der öffentlichen Einrichtungen im Umfeld des Bildungssystems habe ich an Ihrem Beratungsinfo kritisiert. Eine umgekehrte Idealisierung des privaten Therapiemarktes werden Sie von mir nicht hören oder lesen. Glauben Sie, ich hätte sonst den Elternberatungsartikel (Elternberatungsartikel für Eltern rechenschwacher Kinder aus dem KOGNOS-Handbuch: http://www.rechenschwaecheinstitut-volxheim.de/eltern.html) so geschrieben wie er ist - steht dort eine Idealisierung von privaten Instituten? Haben Sie den Artikel gelesen, den ich meine? Was dort an Maßstäben formuliert ist, sind Qualitätsanforderungen an vernünftige Diagnostik und Therapie, auf die ich die Eltern hinweise, gerade weil ich weiß, daß nicht alles bereits so eingerichtet ist.

Originaltext-Lorenz:
Aber sind sie sicher, dass diese wohlformulierten und, ich unterstelle Ihnen diese Seriosität, auch so gemeinten Kriterien von allen Instituten eingehalten werden?
Wer wacht darüber? Gibt es unter den niedergelassenen Dyskalkulietherapeuten eine Qualitätssicherung?
Selbst für diejenigen auf Ihrer Liste? Und wie kommt diese Liste zustande?

Zunächst begrüße ich es natürlich, daß Sie die in meinem Ratgeberartikel (Elternberatungsartikel für Eltern rechenschwacher Kinder aus dem KOGNOS-Handbuch: http://www.rechenschwaecheinstitut-volxheim.de/eltern.html) von mir vertretenen Kriterien so vorbehaltlos unterstützen. Da sind wir uns also wenigstens einig. Aber Sie verkennen hier, was gute Elternberatung leisten kann und soll: Sie soll inhaltlich aufklären und unter den gegebenen Zuständen praktische Ratschläge vermitteln. Ich bin nicht der "amtliche TÜV" des deutschen Rechenschwächetherapiemarktes. Wenn Sie allerdings wollen, daß eine "höhere" Instanz Ihnen und allen Betroffenen (evtl. durch Sie selbst) mitteilt, wo sich Qualität auffinden läßt, werden Sie nicht umhin kommen auch Ihre eigenen Maßstäbe zu spezifizieren und zur Diskussion zu stellen, soweit Sie nicht auf die Kriterien anderer Berater verweisen wollen. Das meine ich (im offenen Brief) mit meiner Kritik an Ihrem Auftreten als "akademische Autorität". Muß man Ihnen nun glauben, wenn Sie Empfehlungen oder Verdachtsmomente aussprechen oder haben Sie schlüssige Begründungen anzubieten? Daß Sie keine Zeit dafür haben (wie Sie weiter unten selbst schreiben) sich um Qualitätssicherung auf dem privaten Markt zu kümmern, spricht eher dafür, daß Sie sich aus der diesbezüglichen Elternberatung heraushalten sollten. Gleichzeitig aber gegen fast alle "Privaten" den "lorenzschen Empfehlungsbann" auszusprechen und das als Elternberatung auszugeben ist - zurückhaltend ausgedrückt - ziemlich widersprüchlich. Dagegen steht meine Kritik (offener Brief) und mein Ratgeberartikel (Elternberatungsartikel für Eltern rechenschwacher Kinder aus dem KOGNOS-Handbuch: http://www.rechenschwaecheinstitut-volxheim.de/eltern.html). Für Verbesserungen bin ich immer zu haben.

Direkt empfehlend geantwortet: Ich spreche hier für mich und das RESI-Volxheim und stellvertretend für das IML-Essen. Außerdem bin ich in der Lage einige (private) Institutsadressen zu benennen, für die ich, wenn ich gezielt gefragt werde, eine persönliche Empfehlung aussprechen werde. "Trotzdem" würde ich Eltern in jedem Fall - also auch im Falle einer persönlichen Empfehlung durch Fachleute - empfehlen, alle Ratschläge aus meinem Ratgeberartikel bei ihrer Suche selbst in Anschlag zu bringen. Eltern müssen - gerade weil die Marktsituation undurchsichtig und prekär ist - ihren eigenen Verstand einsetzen, um an die richtige Adresse zu geraten - auch bei nicht-privaten Anbietern. Da hilft ihnen zum Schluß vor Ort weder ein Steeg noch ein Lorenz. Das ist nun mal so. Über die Gründe dafür wollen Sie sich nicht auseinandersetzen (s.o.).

Originaltext-Lorenz:
Sie tun so, als gäbe es eine Aus- und Weiterbildung zum Dyskalkulietherapeuten, die von Privatinstituten durchgeführt werden. Die gibt es, da stimme ich Ihnen zu. Ich kenne hier in diesem Raum Institute, die Personen ohne Vorkenntnisse und ohne Examen an vier Wochenenden zum "Dyskalkulietherapeuten" oder zur "Rechenschwächetherapeutin" ausbilden, um anschließend im Franchisingverfahren stattliche Summen an Beteilungungshonorar zu kassieren. Sie mögen diese Praxis auch nicht mögen, das will ich unterstellen, aber dies erscheint mir nach meiner bisherigen, zugegebenermaßen beschränkten Erfahrung eher die Regel als die Ausnahme zu sein.

Mag sein und wofür spricht das: für inhaltliche Aufklärung (auch der Eltern) über die notwendigen Maßnahmen und Qualitätskriterien oder für Beschönigung der Zustände in Schulen, Beratungsstellen und Jugendämtern in Verbindung mit pauschalen Warnungen vor Geschäftemachern? Sie machen es sich da wirklich zu einfach!

Originaltext-Lorenz:
Es ist auch keineswegs so, dass sich die Privatinstitute einer Überprüfung oder auch nur Beratung ihrer Diagnostik, ihrer Methodik, ihres Vorgehens oder sonstiger Praxis öffnen würden. Im Gegenteil. Bislang sind jegliche Versuche meinerseits gescheitert, mit privatwirtschaftlichen Instituten in Kontakt zu kommen und ihr Innenleben zu beurteilen. Jegliche Einsichtnahme wurde bislang abgelehnt, es sei denn, es lagen gerichtliche Aufforderungen vor. Dies lässt mich nicht gerade hoffen, dass eine Kooperation gewünscht werde, die die (vermeintlichen oder tatsächlichen) gesellschaftlichen Widersprüche aufzuheben versucht.

Wir (RESI/IML) sind daran interessiert unsere Methodik, auch in Diskussionen mit anderen, weiterzuentwickeln. Das setzt allerdings voraus, daß man in wichtigen Grundfragen einen Konsens erarbeitet, sonst kann nicht davon ausgegangen werden, daß die eingesetzte Zeit nutzbringend angewendet wird. Private Therapeuten leisten außerdem in Schulen Öffentlichkeitsarbeit, indem sie kostenlose oder fast kostenlose Aufklärungsvorträge und Fortbildungen durchführen, damit die Dyskalkulie dort überhaupt zur Kenntnis genommen wird. Daß private Therapieinstitute nicht dafür eingerichtet sind "gesellschaftliche Widersprüche" aufzuheben, sondern auf "diesen" zunächst einmal Ihre Existenz aufbauen, liegt in der Natur der Sache. Machen Sie also bitte Ihre Vorschläge, wie z.B. wir weiter ins Gespräch kommen können - unser offener Brief war, wenn Sie es so wollen, der Einstieg in das nun laufende Gespräch mit Ihnen.

Originaltext-Lorenz:
"Eine vollständige und zur dyskalkulietherapeutischen Tätigkeit befähigende und bundesweit von allen Fachleuten anerkannte Ausbildung an Universitäten ist uns nicht bekannt. "
Dies ist wohl richtig. Allerdings ist mir auch keine vollständige und zur dyskalkulietherapeutischen Tätigkeit befähigende und bundesweit von allen Fachleuten anerkannte Ausbildung an einem Privatinstitut bekannt. Aber ich lasse mich gerne aufklären.
Inzwischen ist die Dyskalkulie sowohl in der Prüfungsordnung als auch in den Studienordnungen der Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg als obligatorisches Teilgebiet verankert. Die angehenden Grund- und SonderschullehrerInnen werden also in dieses Gebiet eingeführt. Hierzu machen sie bei uns in Ludwigsburg einen einsemestrigen Theoriekurs und betreuen anschließend in unserer der Hochschule angegliederten "Beratungsstelle für Kinder mit Rechenschwäche" zu zweit ein Kind ein oder mehrere Semester lang, wobei jede Förderstunde supervidiert und eine Vielzahl der Stunden videographiert wird.
Die hierbei von den Studierenden erworbene Kenntnis erscheint mir, neben den sonstigen Studieninhalten zur Mathematik, Mathematikdidaktik und Psychologie, im Vergleich zu vielen niedergelassenen Therapeuten durchaus umfangreich. Aber nicht genug, als dass ich dies bereits für eine Therapie als hinreichend ansehen würde und gar den Eltern empfehlen könnte, dafür ihr Geld auszugeben.
Ich bleibe dabei, dass ich keine Empfehlungen für bestimmte Institute abgebe. Dies liegt zum einen an meiner Unkenntnis über die Praxis der einzelnen Institute, wobei mir eine tiefergehende Kenntnis auch und gerade von diesen verwehrt wird (s.o.).
Zum anderen gibt es allerdings auch so viele Institute, dass ich mir einen Überblick nicht verschaffen kann und will (ich kenne Landkreise, in denen über 20 Dyskalkuliepraxen vertreten sind).

Ich weiß nicht wer Sie aufgefordert hat Empfehlungen für private Institute abzugeben. Dies kann natürlich sein, weil Sie als Fachmann bekannt sind. Trotzdem scheint mir Ihre Zurückweisung dieses abstrakten Anspruchs an Sie, Sie müßten private Institute empfehlen, einigermaßen inszeniert. Niemand kann Sie dazu zwingen, wenn Sie es nicht wollen.

Mit der Universität Hamburg gibt es Gespräche über Ausbildungskriterien mit privaten Instituten. Außerdem kenne ich Wissenschaftler, die am Thema interessiert sind und daran arbeiten, mit denen ich bereits seit Monaten Gespräche führe und korrespondiere. Vielleicht entwickelt sich da etwas. Ich sehe keine prinzipiellen Hindernisse, solange keine pauschalisierenden Vorurteile und Diffamierungskampagnen die Zusammenarbeit von vornherein blockieren. Allerdings halte ich nicht viel von Fragebogenaktionen und Sammlungen von Formalias.

Originaltext-Lorenz:
Meine Kritik richtet sich nicht, und diese Unterstellung verbitte ich mir, gegen die Privatwirtschaft ("Und überhaupt, wo leben wir denn? Ist neuerdings Privatwirtschaft wieder ein Schimpfwort? "). Diese ideologischen Töne tun der Diskussion nicht gut. Ich richte mich dagegen, dass diese Privatinstitute schon per se einen Freibrief für exquisite Förderung erhalten, ohne dass die Qualität überprüfbar ist. Auch nicht von Ihnen, Herr Steeg. ("Ist ein Mercedes-Benz etwa ein Schrottauto, weil der Verkäufer und der Hersteller damit Geld verdienen will? " Nein, natürlich nicht. Aber ein Fiat 500 ist auch deshalb kein Mercedes-Benz, weil der Verkäufer und der Hersteller mir das einreden wollen und ich, als unwissender Elternteil, ohne Möglichkeit mich über die Praxis der anbietenden Einrichtung zu informieren, dem Schein glauben muss.)

Wo ist der Verkäufer, der einem Autokunden weismachen könnte, daß ein Fiat 500 die Vorzüge eines Mercedes 500S hätte? Wer verbietet Eltern, sich über private Einrichtungen zu informieren? Seit wann müssen Eltern einfach glauben, was ihnen ein Therapeut in einer privaten Praxis erzählt? Seit wann ist eine Elternberatung nach Lorenz - "Ich empfehle (fast) keine privaten Therapieeinrichtungen!" - für Eltern die Rettung vor dem Reinfall bei einer Dyskalkulietherapie oder einer schulischen Förderungsmaßnahme? Wer macht hierzulande eigentlich eine vernünftige, inhaltlich aufklärende und praktisch nützliche Elternberatung in Sachen Rechenschwäche, damit die von Ihnen beschworene Unwissenheit der Eltern aufhört?

Originaltext-Lorenz:
Aus diesem Grund habe ich in meinem Infoblatt geraten, sich bei Vorliegen oder auch schon dem Verdacht einer Rechenschwäche mit den Schulen, den Beratungslehrern, den Schulpsychologen und den Jugendämtern in Verbindung zu setzen. Diese wissen am besten, was direkt vor Ort die günstigste Vorgehensweise ist und welche Instanzen für eine Therapie in Frage kommen. Dies können auch privatwirtschaftliche Institute sein.

Auf diese von Ihnen benannten Möglichkeiten kommen Eltern schon von selbst, weil ihnen zunächst nichts anderes bleibt. Daher hat dieser Rat auch nicht den Charakter einer beraterischen Aufklärungsleistung. Viele Eltern sind nach solchen Gesprächen genauso schlau bzw. verzweifelt wie vorher. Sie, Herr Lorenz, delegieren hier schlicht die Beratung an die "zuständigen Stellen" (ohne Kompetenznachweis), ohne die Unwägbarkeiten solcher Beratungen zu erwähnen.

Originaltext-Lorenz:
Allerdings, so legt es der "Offene Brief" nahe, kann man sich in Zweifelsfragen auch an Herrn F. Steeg wenden, der sämtliche Institute von Garmisch bis Flensburg, von Chemnitz bis Aachen auf ihre Qualität überprüft hat und Empfehlungen an besorgte Eltern aussprechen kann.

Genug der Polemik - darauf muß ich wohl nicht eingehen. Meine Antworten stehen bereits weiter oben.

Originaltext-Lorenz:
Ich hatte in der Vergangenheit gehofft, dass sich eine Kooperation zwischen den niedergelassenen privatwirtschaftlich arbeitenden Therapeuten und der Hochschule ergäben könnte. Diese Kooperation hätte Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung, des Austauschs von Erfahrungen so wie der Supervision umfassen können. Aber davon sind wir weit entfernt. Und dies ist keine Schuld der Hochschule!

Schuldfragen sind immer die Beendigung einer produktiven Debatte bevor sie angefangen hat. An mich hatten Sie bisher keine solchen Gesprächsangebote gerichtet. Das soll kein Vorwurf sein, sondern nur eine Feststellung.

Meine Bitte an Sie: Überarbeiten Sie Ihre "Informationen zu Rechenschwäche" oder ziehen Sie sie zurück. Unsere Kritik (offener Brief) gegen dieses schlechte Beispiel von Elternberatung bleibt bestehen. Soviel für heute.

Mit freundlichem Gruß

Dr.Dipl.Psych. Friedrich H. Steeg
und das RESI-Team
sowie das IML-Team

P.S.: Übrigens können Sie es interessierten Mitlesern und evtl. an der Diskussion interessierten Eltern und Kollegen leichter machen, unsere Debatte zu verfolgen, indem Sie von Ihrer Webseite aus einen Link auf die URL mit dem offenen Brief legen: http://www.rechenschwaecheinstitut-volxheim.de/lorenz.html

An der gleichen Stelle werde ich auch meine heutige Antwort veröffentlichen.

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Leider hat Herr Lorenz bis heute (Aktualisierungsdatum der Homepage) den Lesern seiner Webseite keinerlei Hinweise darauf gegeben, wo denn dieser "sogenannte offene Brief von F. Steeg", auf den er auf seiner eigenen Webseite geantwortet hat, nachlesbar sei. Offensichtlich meint er, seinen Lesern das Original unserer Kritik nicht zumuten zu können. Im Übrigen nehmen wir an, daß er befürchtet, mit einem Link oder Hinweis auf unsere Homepage indirekt Werbung für private Institute zu machen.

Eine weitere Diskussion mit ihm kam bisher nicht zustande. Allerdings hat sich erfreulicherweise unsere Debatte in den daran interessierten Kreisen im deutschsprachigen Raum inzwischen herumgesprochen.

Insbesondere hat Herr Prof. Dr. Wilhelm Schipper (IDM-Bielefeld) eine kongeniale Fortsetzung der Debatte geliefert, als er im Oktober 2002 einen Artikel in der "Grundschulzeitschrift" (158/2002) veröffentlichte, den wir uns ebenso, wie die kritikablen Elternberatungsinformationen von Herrn Lorenz, zum Anlaß für eine detaillierte Kritik nahmen:

Offener Brief an Herrn Prof. Dr. Wilhelm Schipper zu seinem Artikel "Das Dyskalkulie-Syndrom"

RESI und IML

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